Mutter hat wahrscheinlich Demenz

Hallo ihr Lieben,
Ich muss mich mal ein bisschen ausheulen.
Meine Mutter hat immer mehr Anzeichen von Demenz und ich kümmere mich um ihre ganzen Arzttermine.
Bei den bisherigen Untersuchungen kam raus, dass es sich auch um eine Pseudodemenz aufgrund ihrer jahrelangen Depression handeln könne (seit ich denken kann ist sie depressiv, ist allerdings erst vor etwa 11 jahren in therapie gegangen wobei sie irgendwann einfach nicht mehr hingegangen ist und auch nie die verschriebenen Antidepressiva eingenommen hat.)
Ich bin 33 und aktuell mit dem zweiten Kind schwanger.
Nach dem letzten neurologischen Termin, bei dem die Ärztin meiner Mutter angeraten hat nicht mehr Auto zu fahren wenn sie gestresst sei, will meine Mutter nicht weiter zu Terminen gehen, da ihre größte Angst ist ihren Früherschein zu verlieren.
Ich habe ihr schon gesagt, dass sie ihn eher verliert wenn sie nichts macht und sich ihre Situation verschlechtert.
Eigentlich renne ich die ganze Zeit gegen Windmühlen. Sie vergisst ja ständig Gespräche, Begebenheiten etc, weshalb sie meint, dass ich und die Ärzte übertreiben und es nicht so schlimm sei.
Dauernd ist sie mir gegenüber auch verbal aggressiv, wenn sie wieder überfordert ist und mir dann daran die Schuld gibt und meint, dass sie ja nur vergesslich sei, weil alle sie ständig unterbrechen würden etc. Etc.
Ehrlich gesagt bin ich einfach traurig und wütend über die Situation gerade. Ich kümmere mich um meine Mutter seit meiner frühen Jugendzeit (aufgrund der Depressionenen), und weiß leider, dass ihr niemand anderes aus der Familie so wirklich hilft. Ich hab das ganze schon mal ein Jahr etwa an meinen Vater übergeben, er solle sich doch bitte kümmern, am Ende ist nichts passiert und der Zustand verschlechterte sich noch. Auch meine Schwester macht da nicht wirklich etwas, auch nachdem ich sie mehrmals gebeten habe bei der Situation mitzuhelfen (zb Ärzte raussuchen, Termine vereinbaren). Dazu muss man sagen, dass sie selber an Depressionen leidet mittlerweile.
Bei anderen Situationen kann ich mich gut abgrenzen, aber bei ihren Gedächtnisproblemen kann und will ich sie nicht einfach stehen lassen.

Hat jemand eine ähnliche Situation oder einen Rat?

Liebe Grüße

Bearbeitet von Radio13
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"Auch meine Schwester macht da nicht wirklich etwas, auch nachdem ich sie mehrmals gebeten habe bei der Situation mitzuhelfen (zb Ärzte raussuchen, Termine vereinbaren). Dazu muss man sagen, dass sie selber an Depressionen leidet mittlerweile."

Nimm dir ein Beispiel an deiner Schwester und steck Grenzen. Es bringt ja nichts, wenn du dich abstrampelst und dann selbst als Patientin beim Psychiater sitzt.
Deine Mutter ist im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte- wenn sie verlottern will, kann sie das machen. Ihr hampelt da alle rum, irgendjemand springt immer ein- so verschleppt ihr ihren Zustand.
Achte auf deine eigene Gesundheit und konzentrier dich auf deine kleine Familie. So ziehst du die mit rein.

Wenn deine Mutter entgegen des Rats der Ärzte weiterfährt, würde ich den SPD meines Kreises darüber in Kenntnis setzen und dann ist gut.
Die Rollen sind in deiner Familie völlig vertauscht- fokussier dich auf deine Rolle als Mutter. Sonst leiden deine Kinder als nächste darunter.

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Ich glaube dir ja gerne das du für deine Mutter da sein willst, aber du musst auch an dich denken. Denn dein Vater hat es sich damals wohl zu einfach gemacht und kaum was getan. Traurig wie ich finde. Aber am Ende darfst doch du wieder ran. Deine Mutter hat sich schon immer davor scheinbar gedrückt sich helfen zu lassen und anderen überlassen sich um sie zu kümmern. Es ist aber nicht deine Aufgabe alleine hier die Verantwortung zu übernehmen finde ich. Es ehrt dich das du hilfst, aber es muss auch Grenzen geben.
Ela

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Mich beschäftigt das Thema momentan auch, leider. Ich stehe aber genauso am Anfang wie Du, daher habe ich keinen echten Rat, was Du tun kannst/sollst.
Was mir aber erstmal positiv auffällt, ist, dass Deine Mutter grundsätzlich bereit ist, zum Arzt zu gehen. Das ist glaube ich eher ungewöhnlich bei Demenz, da würde ich auch unbedingt ansetzen. Notfalls kann sie mit dem Taxi fahren, wenn ihr einziges Problem die Angst vor dem Führerscheinverlust ist.
Ich würde in jedem Fall eine Diagnose anstreben, denn wenn die Vergesslichkeit von der Depression kommt, dann könnte sich der Zustand ja wieder bessern, oder? Das ist doch eine Riesenchance, die würde ich versuchen, zu nutzen.
Es gibt übrigens auch viele spezielle Foren für Demenz, vielleicht wäre Deine Frage auch da gut aufgehoben.
Alles Gute Euch!

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Vermutlich haben dein Vater und deine Schwester ganz richtig erkannt, dass man nur denen helfen kann, die Hilfe wollen. Deine Mutter will aber keine Hilfe.

Du reitest quasi ein totes Pferd und beschwerst dich, dass der Rest deiner Familie nicht aufsteigen will.

Das sind harte Worte und ich verstehe sehr gut, dass es dir schwer fällt, deine Mutter „fallen zu lassen“. Aber letztlich wird deine Hilfe nie reichen und dich nur weiter belasten.

Deine Mutter ist erwachsen und du musst dich eigentlich nicht um sie kümmern, das war nie deine Aufgabe, aber in diese Rolle bist du gerutscht. Mach dir selbst bewusst, dass du dort nicht bleiben musst.

Deine Mutter kann dich um Hilfe bitten, wenn sie welche will! Was nützt es, Ärzte raus zu suchen und sie hinzuschleifen, wenn sie Therapien abbricht, Medikamente nicht nimmt und eh nichts glaubt?

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"Deine Mutter ist erwachsen und du musst dich eigentlich nicht um sie kümmern"

Das gilt meiner Meinung nach genau bei Demenz nur eingeschränkt. Meine Mutter ist ebenfalls dement und wir haben schon einen längeren Weg mit der Demenz hinter uns. Die Betroffenen können das Ausmaß der Erkrankung nicht erkennen. Und sie haben irgendwann leider weniger Alltagskompetenzen als ein Kleinkind. Sie alleine entscheiden zu lassen, welche Behandlung sie möchten und wann sie Hilfe brauchen und wann nicht, funktioniert genauso wenig wie bei Kindern.
Medizinisch gesehen ist es in diesem Fall dringend notwendig abzuklären, ob das nun wirklich nur Teil der Depression oder eine echte Demenzerkrankung ist. Und falls doch Demenz, müssen Medikamente genommen werden um den Verlauf zu verlangsamen. Ohne sehr viel kümmern und gutes zureden seitens der Familie macht das aber kein demenzkranker Mensch freiwillig. Soll man sie deshalb alle ihrem Schicksal überlassen?

Leider ist ein ganz großer Teil der Belastung im Umgang mit demenzkranken Angehörigen genau das, dass sie die Hilfe ablehnen und für unnötig halten. Dass man sogar Ärger bekommt anstatt Dank. Natürlich muss man auch auf sich achten, aber wenn man die Betroffenen liebt und es irgendwie geht, sollte man sich dringend einmischen. Dabei muss man immer schauen, wie viel gerade möglich ist. Und wenn man dann eine Diagnostik schmackhaft macht indem man sie ein bisschen anders darstellt, ist das sinnvoll.

An die TE: Vielleicht findest du in der Nähe eine Beratungsstelle für Angehörige oder auch eine Selbsthilfegruppe, in der du Tipps bekommen kannst.
Ja ich finde es auch verdammt unfair. Andere haben Eltern, die bei der Betreuung der Enkel unterstützen und man selbst kann schauen, wie man es schafft kleine Kinder und demenzkranke Eltern zu versorgen, ohne dabei selbst zugrunde zu gehen. Aber wann ist das leben schon fair. Andere haben vielleicht kranke Kinder oder sind alleinerziehend. Man muss es leider nehmen, wie es ist. Ich habe selbst deswegen mit Burnout/Depression gekämpft. Letztendlich musste ich Prioritäten setzen: 1. Kleinkinder, 2. meine Gesundheit, 3. meine Mutter. Ja sie ist deshalb nicht optimal versorgt. Aber als ich depressiv war, war sie noch schlechter versorgt.

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In meinem Umfeld gab es 2 Demenzkranke. Eine hat es akzeptiert, dass die Angehörigen sie zum Arzt brachten. Sie erhielt Medikamente und ließ die Maßnahmen zu. Eine andere lehnte alle Maßnahmen und Zureden mit Engelszungen ab. Dann ist es so. Arzt und diverse Beratungen positionierten sich klar: Wenn die Patienten Hilfe ablehnen, muss das akzeptiert werden. Da kann man den Angehörigen nicht sagen, dass sie nochmal eine Schippe Überzeugungsarbeit drauflegen müssen. Man muss die Patienten im Blick halten und im richtigen Moment Einweisung etc veranlassen.

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Suche mal nach Validation nach Feil. Das ist eine Art, mit Demenzkranken zu reden, bei der man quasi keinen neuen Input gibt, sondern vor allem aktiv zuhört und dann über das "redet", was die Demenzkranken gerade im Kopf haben. Man bestätigt also erst mal ihre Sichtweise, bevor man eventuell eine eigene bzw. einen eigenen Wunsch hinzufügt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass sich bei deiner Mutter beides im Kreislauf verstärkt - die Demenz/ Vergesslichkeit führt zu Stress, der dann wieder zu mehr Vergesslichkeit führt.
Daher würde ich unbedingt den wertschätzendne Ansatz verfolgen.

Dazu kannst du bei Youtube auch mal Videos von "Kathy Weber Herzenssache" schauen - die macht das dann zwar bezogen auf Kinder, aber im Prinzip ist das das gleiche Konzept - erst mal validieren, so lange, bis der Betroffene sich verstanden fühlt und dann langsam die eigene Sichtweise/ den eigenen Wunsch hinzufügen, so dass der Betroffene am Ende dem Wunsch nachkommt, weil er das Gefühl hat, dass der Wunsch in seine Wünsche/ Sichtweise passt.

Unbedingt vermeiden sollte man meines Wissens bei Demenzkranken, "Befehle" zu geben. "Du kannst nicht mehr Auto fahren!" ist eine Bedrohung - ich verliere meine Autonomie, sitze nur noch zu Hause, kann nichts mehr ohne Fremde Hilfe machen, was denken denn dann die Nachbarn oder auch Ärzte über mich?" Usw.

Ich habe das im Bekanntenkreis erlebt während einer Chemo, bei der dem Betroffenen angeraten wurde, nicht mehr oft oder gar nicht mehr Auto zu fahren. Er fuhr zwar meist nur noch kleine Strecken, aber da kam sofort der Gedanke "mein Leben lang bin ich sicher gefahren und jetzt soll ich zu Hause sitzen oder mir ein Taxi bestellen?!" Dazu kam, dass der Bekannte in einer Siedlung wohnte, aus der er immer mit dem Auto gefahren war. Die Strecke zu laufen kam für ihn nie in Frage. Auf das Auto zu verzichten hätte also für ihn erst mal bedeutet, nicht mehr das Haus zu verlassen.
Solche Assoziationen sollte man bedenken und dann vielleicht erst mal kleine Hilfen anbieten. "Könnten wir uns erst mal für bestimmte Fahrten verabreden und ich fahre dich oder du fährst und ich sitze daneben? Wir fahren erst mal nur kleine, langsame, bekannte Strecken und schauen mal, wie es läuft?"

Und dann würde ich bestimmte Sätze freundlich immer wiederholen, immer im gleichen Wortlaut Nicht predigend, herablassend, genervt, bittend, sondern entspannt.
Vielleicht bleibt etwas davon hängen.

Bedenke, hier geht es massiv um Autonomie! Um die Angst, entmündigt zu werden "Alle reden nur noch miteinander über mich, keiner mehr mit mir. Ich werde nicht mehr ernst genommen! Ich muss dafür kämpfen, dass man mir auch noch zuhört!" Diese Ängste würde ich ausräumen.

Achte mal darauf, was sie noch kann, was sie noch gut macht, was sie noch weiß - auch Alltagswissen etc. - und betone das.
Ich würde versuchen, Routinen einzubauen, immer der gleiche Ablauf, immer die gleichen Sätze, so dass sie dann vielleicht gelassener mit bestimmten Situationen wie Arztbesuch umgehen kann. Auch etwas einbauen, das ihr Freude macht oder sie stolz macht.

Ich würde anstreben, wenn das möglich ist, das Auto nur langsam aus dem Alltag zu nehmen und vielleicht mir ihr öfter noch irgendwo hinzu fahren, so dass sie zumindest im Auto sitzen kann. Vielleicht auch mal auf leeren Parkplätzen etc. sie fahren lassen. Ihr einfach zeigen, dass ich sie nicht als unmündiges Kleinkind sondern immer noch als Mutter mit viel Lebensweisheit und Wissen wahrnehme
Vielleicht auch ein Ritual einführen, bei dem bestimmte Erinnerungen auf mehreren Kanälen immer wieder aktiviert werden. Reden, Fotos anschauen, Videos anschauen, den Lieblingsduft riechen, den Lieblingsgegenstand in der Hand halten, der bestimmte Erinnerungen wachruft. Sich vielleicht auch mal nur ins Auto setzen und dort reden über bestimmte Erinnerungen, die mit dem Auto verbunden sind udn dann wieder aussteigen und Kaffee trinken etc. Oder sie im Auto an einen bekannten Ort in der Nähe fahren und währen der Fahrt betonen, was für eine gute Autofahrerin sie war, dass man das wertschätzt, aber das sie sich jetzt etwas ausruhen kann und sich chauffieren lassen kann. Weil sie einen ja lange genug als Kind herum kutschiert hat.

Und UNBEDINGT Korrekturen der Art "Mama! Das weißt du nicht mehr?!" vermeiden.
Überlegen, ob das, was sie sagt, nicht auch Sinn ergeben kann.

Meiner Oma wurde Demenz unterstellt. Sie hatte lange alleine gelebt und war dadurch etwas "aus der Welt" und allg. wenig gebildet. Sie ist dann öfter mit der Lebensgefährtin meines Vaters gefahren und diese sagte zu einem bestimmten Straßenabschnitt, dass wäre ihre "Rennstrecke", weil sie dort halt schnell fahren konnte.
Später war ich mal mit meinem Vater und meiner Oma im Auto unterwegs und meine Oma fragte, ob "das hier die Rennstrecke sei". Mein Vater dachte natürlich an eine Auto- oder Pferderennstrecke und jammerte los "ach Mama! Hier ist doch keine Rennstrecke!"
Solche Situationen kamen immer wieder vor und oft konnte man sie nur mit bestimmtem Vorwissen verstehen. Die Gefahr der Vorverurteilung aufgrund der vermeintlichen Diagnose war sehr hoch, die Toleranz gegenüber meiner Oma viel geringer als gegenüber anderen Menschen, die sich auch mal vertun oder Dinge verwechseln.

Daran sollte man immer denken.

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Das hast du sehr schön geschrieben, ich nehme mir da viel mit, danke!

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Vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort. Hier kann ich mir wirklich viel mitnehmen.

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Wir vermuten bei meiner Schwiegermutter auch eine beginnende Demenz.
Mein Schwiegervater stellt sich dahingehend völlig taub, nach dem Motto, solange es ignoriert wird, ist es nicht da.
Meine schwägerin würde ihr sehr gerne helfen und wäre für sie da, doch sie lässt es nicht zu und fährt den Trip ihres Mannes.
Nach monatelangen Gesprächen (oder eher monologen) lässt meine Schwägerin es nun auch gut sein.
Man kann niemandem helfen, der es nicht will.
Lerne dich abzugrenzen, auch emotional so gut es geht. Hilfe funktioniert nur, wenn sie angenommen wird. Und zwingen kann man niemanden dazu.

Bearbeitet von Franziska10