Mutter schon lange Tod aber immer noch Schuldgefühle

Meine Mutter ist schon lange Tod aber ich habe immer noch Schuldgefühle. Sie war körperlich krank und sie kam damit nicht klar litt unter Depressionen. Es war nicht einfach mit ihr mich hat das sehr belastet. Ich wollte Abstand haben und habe sie nicht mehr besucht nur telefoniert, 3 Monate nach meinem letzten Besuch ist sie gestorben... aus dem "Abstand " nehmen wurde ein ganzes Leben. 2 Tage vor ihrem Tod habe ich das letzte mal mit ihr telefoniert, wo sie meinte ihr ginge es nicht so gut wann ich sie mal wieder besuche. Ich wollte auch! Aber ich war zu spät! 2 Tage nach dem Telefonat ist sie gestorben ohne das ich da war. Seid dem mache ich mir ständig Vorwürfe, ich habe sie im stich gelassen. Das war meine Mutter! Ich wollte das so alles nicht, ich würde so gerne die Zeit zurück drehen. Es kommt mir vor als wäre die Zeit seid dem stehen geblieben. Meine Schuldgefühle fressen mich auf. Ich habe bisher keinen Weg gefunden damit klar zu kommen.

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Hallo,

nach vielen Jahren mit Schuldgefühlen habe ich verstanden, dass man die Sache auch ganz anders betrachten kann. "Hätte ich doch" ist Unsinn, denn es gab in diesem Moment keine andere Entscheidungsmöglichkeit. Mit den Gefühlen, den Fähigkeiten, den Umständen und den Kräften an genau diesem Tag würde man ganz genau wieder so reagieren. Du hattest Gründe für den Abstand und die waren in diesem Moment so in Ordnung.

Dieser Ansatz macht manche Leute wütend, weil man natürlich gern die Entscheidungsgewalt in seinem Leben hat. Aber zu jeder Sekunde hast du ein bestimmtes Mindset, dass dich entscheiden lässt. Das kann sich ändern, man wird älter, macht eine Therapie, lernt andere Leute kennen usw. Dann versteht man selbst nicht mehr, wie es zu manchen Entscheidungen kommen konnte. Aber man ist dann einfach nicht mehr die Person in dieser speziellen Situation, die damals anders gehandelt hat. Und das meine ich nicht esoterisch, ich sehe die Welt eher wissenschaftlich und halte die freie Wahl für ein spannendes und diskussionswürdiges Thema.

Aber zu dir: Du darfst nachsichtig mit dir sein. Du hast offenbar den Abstand gewählt, um dich zu schützen. Vielleicht solltest du eine Therapie machen, um darüber mehr zu reflektieren. Jetzt bestimmt der Schmerz über dein vermeintliches Fehlverhalten deine Sicht und die Schuld dominiert dein Fühlen. Das hat wohl jeder mal gefühlt und es kann echt grausam sein, in dieser Spirale festzuhängen. Ich sag dir, was ich sehe: Eine Tochter, die sogar noch mit ihrer Mutter kurz vor ihrem Tod telefoniert hat. Das war gut und genau das, was damals für dich leistbar war.

Liebe Grüße

Bearbeitet von tabea33
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Es gab Gründe für deinen Abstand. Das heißt für mich es lief nicht alles glatt zwischen euch.
Vieles lag vielleicht auch einfach an deiner Mutter, denn grundlos entfernt sich eine Tochter nicht.
Mein Vater starb auch unerwartet während einem totalen Kontaktabbruch.
Ich habe meinen Frieden damit gefunden, indem ich ihm innerlich alles verziehen habe was vorgefallen ist.
Damit bin ich fein.

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Ich musste spontan an den Text denken, der oft auf (evangelischen?) Beerdigungen gelesen wird

Wer sie geliebt und geachtet hat, trage diese Liebe und Achtung weiter.
Wen sie geliebt hat, danke ihr alle Liebe.
Wer ihr etwas schuldig geblieben ist an Liebe in Worten und Taten, bitte Gott um Vergebung.
Und wem sie wehgetan haben sollte, verzeihe ihr,
wie Gott uns vergibt, wenn wir ihn darum bitten.

Ich weiß nicht, ob du den christlichen Bezug nachempfinden kannst, aber unabhängig davon glaube ich, dass beschreibt es ganz gut, wenn jemand stirbt. Meistens ist nicht alles im Reinen. Man konnte nicht mehr alles klären und ist irgendwie aneinander schuldig geblieben. Sie an dir als Mutter, weil sie eine Belastung war, sich vielleicht auch nicht gut um dich gekümmert hat. Und du irgendwie als Tochter, weil du nicht so für sie da sein konntest, wie du wolltest.

Un ehrlich zu sein glaube ich, dass es meistens irgendwie so ist. Wenn meine Mutter jetzt völlig unerwartet sterben würde, gäbe es da viel schönes, aber trotzdem auch unbearbeitete Konflikte. Und ein leicht unterschwelliger Grill über manche Gespräche am letzten Besuch, vielleicht Schuldgefühle, dass ich so weit weg gezogen bin... Nicht das gleiche, aber oft sind doch irgendwelche Themen offen.

Ich glaube, die entscheidende Frage ist, ob du ihr und auch dir vergeben kannst. Du hattest deine Gründe, deine Kraftreserven... Glaubst du, sie könnte das verstehen? Vielleicht kannst du ihr eine Art Abschiedsbrief schicken.

Und wenn du keine Ruhe für dich findest, scheue nicht, dir Hilfe zu holen. Therapie, Seelsorge, Trauergruppe...

Alles Gute dir!

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Das ist sehr traurig...

Vielleicht hilft es dir wenn ich dir sage dass es nichts größeres gibt als ein Mutterherz, sie hat dir sicher schon verziehen. Ihr hattet auch gute Zeiten sonst würdest du die Last jetzt nicht als so schwer empfinden.

Denk an die schönen Zeiten, und nicht an die schlechten 😇 im übrigen stimme ich den anderen zu. Wir machen alle Fehler, treffen falsche Entscheidungen. In deinem Fall besonders bitter und ich kann deine Gefühle verstehen.

Aber es bringt dir nichts dich weiter zu grämen s hätte deine Mutter sicher nicht gewollt und du hast auch mit ihr telefoniert, d.h.du hast ihr deine Zeit geschenkt. Auch nicht selbstverständlich 😇

Also sei milder mit dir und geh nicht so hart ins Gericht!

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Was denn verziehen! Das klingt ja so, als ob es etwas zu verzeihen gäbe?

Als Tochter einer depressiven Mutter, kann ich dir sagen: diese Phasen des Abstands gab es immer wieder, sie haben uns Töchter gerettet.
Nur so, konnten wir Kraft tanken.

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Das können wir hier nicht beurteilen, aber auch vorzustellen dass die Mutter einen verzeiht hilft sich selbst zu verzeihen und damit abschließen zu können!

Und darauf kommt es an..

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Aus der Perspektive des Todes betrachtet, ist unsee Verhalten im Alltag sicher oft kleinlich.
Mir gelingt der Spagat auch schlecht: auf der einen Seite möchte ich mich manchmal aus nachvollziehbaren Gründen abgrenzen und auf Abstand gehen, aus der Perspektive des Todes denke ich dann oft: Ach, sind doch alles Bagatellen.
Würde ich mein eigenes Empfinden aber ständig bagatellisieren und in diesen riesigen Kontext von Leben und Sterben einordnen, dann würde ich mich irgendwie verlieren. Keine Wut, kein Groll hat dann doch noch eine Berechtigung. Und trotzdem bin ich im Alltag doch manchmal gekränkt und es gibt Situationen, die ich meide, weil sie mich bis ins Mark erschüttern…
Ich versuche, einen milderen Blick auf mich zu haben. Es gibt dennoch Dinge, auf die ich heute nicht stolz bin… es ist auch jemand verstorben, von dem ich mich nicht verabschiedet habe. In der damaligen Situation war ich dazu aus Gründen, die ich auch heute noch nachvollziehen kann, nicht in der Lage.
Hast du mal mit deiner verstorbenen Mutter gesprochen? Ihr einen Brief aufs Grab gelegt?

Ich glaube, wir sind oft strenger mit uns als andere es je sein können.

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Ich finde nicht das du ein schlechtes Gewissen haben musst. Ich hab übrigens auch seit gut 20 Jahren keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern und würde heute etwas sein würde ich nicht hingehen! Aber ich stehe hinter meiner Entscheidung. Du selbst hattest wohl selbst damals als Kontakt war noch nicht so ganz abgeschlossen, könnte das sein? Kam mir nur gerade so in den Sinn. Denn es wird immer wieder sein das Dinge passieren und man sich dann fragt "HÄTTE ICH DOCH...." .Doch nicht alles kann man ändern. Eine Sache ist auch bei mir so wo ich mich frage was gewesen wäre hätte ich etwas anders gemacht. Betraf aber nicht meine Eltern diesen waren nur gaaaaaaaaaaaaanz am Rande involviert. Dennoch weiß ich das ich die Sachen nicht werde ändern können und es für damals eben nicht anders ging. Und damals hast auch du sicherlich nicht ohne Grund so gehandelt. Wärst du damals weiterhin zu deiner Mutter gegangen dann ginge es dir heute viel viel schlechter. Aber du hättest immerhin Kontaikt gehabt. Aber muss das um jeden Preis sein? Ging es dir dann gut?
Liebe Grüße Ela

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Mir ging es mit meinem Stiefvater so, dessen einzige Bezugsperson ich noch war. Jedoch habe ich den Kontakt aus Selbstschutz abgebrochen und habe ihn vor seinem Tod auch nicht nochmal gesehen.

Ich bin mit der Situation im Reinen. Sie belastet mich nicht, da ich trifftige Gründe hatte, den Kontakt abzubrechen. Es ging einfach nicht mehr.

Manchmal denke ich noch dran, aber nie verbittert, sondern neutral. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Man trifft Entscheidungen und die haben einen Grund. So wird es auch bei dir gewesen sein. Rufe dir das immer wieder ins Bewusstsein.

Wenn du es alleine nicht schaffst, solltest du über professionelle Hilfe nachdenken. Das ist nichts Schlimmes, aber dann lernst du ggf. damit umzugehen.

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Hallo

Ein Extrembeispiel: Wenn mein Kind in Lebensgefahr wäre und ich könnte ihm das Leben retten, indem ich mein Leben riskiere, dann würde ich das ohne zu zögern sofort tun. Mein Kind soll dann keine Sekunde ein Schuldgefühl haben, weil ich möchte, dass er lebt.

Siam, ich bin mir ganz sicher, dass der größte Gefallen den Du Deiner Mutter tun könntest, der wäre, dass Du ohne Schuldgefühle Dein Leben lebst.