(Ur)Oma schottet sich ab

Meine Oma und mein Opa sind beide Ende 80 und leben leider am entgegengesetzten Ende von Deutschland in einer kleinen Stadt in MV, in der es viele, viele alte Menschen gibt. Wir haben uns in den letzten Jahren immer nur selten sehen können, da es ca. 9 Stunden Entfernung mit dem Auto sind, seit Corona haben wir uns nur letzten Sommer 1x gesehen.

Mein Opa ist total fit, aber meine Oma ist immer weniger mobil und sie wirkt völlig deprimiert. Sie möchte mittlerweile auf gar keinen Fall, dass wir sie besuchen kommen, wenn man das anspricht wird sie völlig panisch. Nur mein Vater darf sie noch besuchen kommen.
Sie möchte nicht einmal ihre Urenkelin kennen lernen. Sie sagt sie hat so viele Termine (Arzt, Fußpflege usw) und könnte uns ja gar nichts bieten. Sie soll uns ja gar nichts bieten, das sagen wir ihr immer wieder! (Früher hat sie immer viel aufgetischt wenn Besuch kam).

Ich traue mich gar nicht mehr zu fragen, weil die Frage sie so extrem stresst. Meine Großeltern sind leider sehr isoliert so weit weg, vor allem seit Corona... früher sind sie immer viel vereist und v.a. meine Oma war immer sehr sozial und hat viel unternommen. Seit Corona saß sie dann nur noch mit Opa zu Hause und hatte Angst durch den ständigen Panikmodus in den Nachrichten. Dazu kamen gesundheitliche Probleme durch die sie nicht mehr so viel selber machen kann.. und jetzt der Krieg in der Ukraine hat ihr den Rest gegeben. Dazu lesen sie jeden Morgen als aller erstes die Todesanzeigen in der Zeitung, sie kennen natürlich fast jeden der dort im Städtchen stirbt.

Mein Opa ist ok mit der ganzen Situation, er war schon immer ein pessimistischer Einzelgänger (und zufrieden damit), aber meine Oma ist völlig fertig.

Lange Geschichte kurz: ich erkenne sie nicht wieder, sie ist völlig gestresst und unglücklich und ich denke es liegt daran, dass sie dort so isoliert leben ohne Kinder, nur alte Leute... ich würde sie gerne besuchen damit sie wieder ein bisschen lebendiger wird, ihr auch ihre Urenkelin zeigen, aber sie will ja nicht.

Hatte jemand eine ähnliche Situation in seiner Familie? Was kann man machen?? Wir wissen wirklich nicht mehr weiter. Meine Oma tut mir so Leid und wir machen uns alle Sorgen.

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Oje, das ist schwierig, ohne deine Oma zu kennen.

Diesen Druck "ich schaffe es nicht mehr, mich um Besuch zu kümmern" kennen ich von mehreren alten Damen. In der Generation war es oft noch geradezu der Lebensinhalt, Besuch zu bewirten. Selbst wenn die Frauen einen Beruf hatten: ihr Selbstbewusstsein zogen sie daraus, ein gemütliches, ansehnliches Heim zu haben und bei Bedarf dort Kaffee und Kuchen zu servieren. Das sollte man auch nicht klein reden, denn das haben diese Frauen regelrecht gelernt - im Zweifelsfall von der eigenen Mutter (oder sogar in der Schule!).

Wir haben eine zum Glück sehr moderne und (für ihr Alter von mittlerweile 90) sehr flexible Dame in der Familie.
Wir besuchen sie immer wieder mal, treffen uns aber im Restaurant.
Vielleicht könnt ihr das so "verkaufen":

-IHR macht sowieso in der Nähe Urlaub. Weil ihr die Stadt (ersetze Gegend) mal wieder sehen wollt.
-IHR müsst irgendwo was essen, am besten im Restaurant/Café. Es wäre doch toll, wenn sie dazukommen würde, ihr würdet euch so freuen.

Vielleicht gibt es ja ein Hotel in ihrer Nähe, in dem ihr ein Wochenende verbringen könnt und sie dort zum Essen einladen.


Aber natürlich ist die Entfernung eine große Hürde. Unsere Verwandte sagt selbst, sie trifft uns lieber etwas öfter (was leider nicht geht) aber dafür kürzer, denn lange Treffen sind ihr zu anstrengend. Wir sehen uns also immer so für 2-2,5 Stunden. Dafür 9Stunden Anreise ist natürlich eine Hausnummer...

LG!

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Ja, das mit dem Urlaub dort in der Umgebung machen wollte ich auch vorschlagen.

Vielleicht kannst du, die TE, sie dann auch erstmal alleine besuchen?

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Hallo,

gibt es eine Ferienwohnung in der Nähe? Dann würde ich dort ein paar Tage Urlaub machen. Der Oma vorher nichts erzählen und vor Ort einfach vorbei fahren, du kannst sie ja dann auch zu euch zum Kuchen essen mitnehmen.
Vielleicht ist die Wohnung auch nicht mehr so in Schuß und sie schämt sich?

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"Sie soll uns ja gar nichts bieten, das sagen wir ihr immer wieder! (Früher hat sie immer viel aufgetischt wenn Besuch kam)."

Das kenne ich von einigen Älteren.
Sich nicht um Besuch kümmern zu können, in dem Maße wie sie es gewohnt sind, entspricht gefühlt dem Weltuntergang. Das geht dann an die Selbstwertfrage und ist für diese existentiell.
Scham und Angst spielt da auch eine Rolle.
Urenkelchen könnte Angst auslösen. Es führt vor Augen, dass sie kräftemäßig (Körper, mental etc) nicht mehr so fit ist wie früher. Auch Angst vor Ablehnung: sie würde sich gerne kümmern können, kann aber nicht. Angst dann Rüffel zu bekommen, weil sie nicht mehr mithalten kann, Kind nicht soooo toll findet etc.

Sich selbst zurück ziehen ist oft einfacher, als sich der Angst zu stellen vllt. abgelehnt zu werden.

Todesanzeigen lesen hat ein Elternteil schon in den 50ern gemacht. Also als das Elternteil in den 50ern war (Alter). Freunde, Eltern von Freunden, andere der Person wichtige. Für mich war es als Kind schon gewohnheit zum Essen die Todesanzeigen serviert zu bekommen.
Ich selbst mache es nicht, habe dafür aber auch einige "verpasst" bei denen ich mich gerne verabschiedet hätte.


Wie sehen Besuche denn bisher aus?
Wie reagiert sie auf Veränderung?
Zu meinen Verwandten fahren wir (vor Corona) einmal im Jahr. Auch so die Strecke. Wir gehen in eine Pension oder Hotel. Ferienwohnung wäre auch super, war noch nichts passendes dabei. Anfangs war das ein "wie du lehnst unsere Gastfreundschaft ab", hat sich dann aber schnell etabliert zu "hurra, wir sehen uns" und niemand hat Druck in Bezug auf zusätzliche Arbeit. Auch zwei mal Bettwäsche zusätzlich waschen, kann schon enorm viel Arbeit sein; ich gehe für sie einkaufen, geht mal gar nicht. Das dürfen nur diejenigen, die in der Nähe wohnen und ohnehin andere pflegen. Wenn wir soweit zu Besuch kommen, ist es ein existentieller Einschnitt hiervon Hilfe anzunehmen.
Ich muss es noch nicht verstehen, merke aber durchaus, dass ich mit zunehmendem Alter - und so alt bin ich noch nicht - meine eigenen Macken entwickle, bei denen mein Teenager schon mit Fragezeichen reagiert. Nach dem Motto, nur diplomatischer formuliert "Mama, wie kannst du nur?!"

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Ich würde einfach hinfahren und vor Ort eine Pension nehmen. Dann bestellt ihr Essen, geht essen und ihr kauft Kuchen zum Kaffee.

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Hallo.
Konnte es nicht auch einfach die Angst vor Corona sein?Und sie möchte es euch nicht so sagen?
Liebe Grüße

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Die Idee sich in der Nähe eine Ferienwohnung zu nehmen find ich gut wie andre schon schrieben.
Dann könnt ihr Oma und Opa zu euch in eure Ferienwohnung einladen oder mit ihnen in ein Cafe oder Restaurant gehen.

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Hallo

ich kann es verstehen das es für eine fast 90 jährige Frau zu viel ist wenn ihr dann bestimmt ein paar Tage evt sogar noch mit Kindern zu besuch kommt.

Wie wäre es denn wenn ihr euch eine Ferienwohnung nehmt oder die Großeltern abholt und sie bei euch Urlaub machen.

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Vielen Dank für Eure Nachrichten!

Ich werde es tatsächlich einmal probieren und einfach in der Gegend Urlaub machen. So war es auch die letzten Jahre - Besuch über Nacht wollten sie schon seit längerer Zeit nicht mehr. Allerdings haben sie sich da trotzdem immer gefreut gehabt, uns tagsüber mal auf einen Kaffee zu treffen.

Vielleicht freut sie sich ja am Ende doch darüber, ich hoffe nur, dass wir sie nicht zu sehr damit stressen.

Danke Euch :)

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Meine persönliche Erfahrung: einfach hinfahren, dort im Hotel übernachten und die Großeltern für ein paar Tage besuchen.

Damit überrumpelst du sie zwar, aber ich würde vermuten, dass sie sich trotzdem freuen, euch zu sehen und letztlich diese Freude überwiegt.

Meine Oma musste man immer zu Ausflügen und anderen Dingen "zwingen". Alleine hätte sie sich nur zu Hause verkrochen. Wenn sie bei uns war, hat meine Mutter einfach gesagt, wir fahren mit ihr kurz zum Supermarkt, dabei haben wir stattdessen einen kleinen Ausflug gemacht.

Bei meinen Schwiegergroßeltern erlebe ich es ähnlich, bzw. jetzt nur noch bei der Oma meines Mannes, weil der Opa vor ein paar Monaten gestorben ist. Die haben sich auch zurückgezogen und sind kaum noch rausgegangen, wenn man sie nicht sanft in diese Richtung geschoben hat. Ich finde es schade, denn dadurch haben wir den Opa vor seinem Tod nicht mehr sehen können. Aber das Verhältnis von meinem Mann zu den Großeltern ist wohl auch nicht ganz so eng. Deswegen habe ich zum Schluss nichts mehr gesagt.