Abstand einhalten

Hallo,

Die Beziehung zu meinen Eltern ist in der letzten Zeit etwas schwierig geworden, wir sind uns wohl zu nah gekommen. Ich stand ihnen immer sehr nah, irgendwie hat es sich dann ergeben, dass ich mit meinem Mann und Kinder für eine Zeit zu ihnen gezogen bin und das hat gar nicht funktioniert. Mein Mann und sie haben sich bemüht, aber sie sind zu unterschiedlich. Das geht beim Humor schon los. Mein Mann macht einen Witz, meine Eltern fühlen sich persönlich beleidigt. Auch wenn ich ihnen ewig erzählt habe, dass das wirklich nur ein Witz war, den machen meine Schwiegereltern nämlich auch oft, meine Eltern finden, dass sie nicht respektiert werden von meinem Mann. Das ist nur ein Beispiel von vielen, auch finden meine Eltern, dass mein Mann ihre großzügige finanzielle Unterstützung für unser Haus nicht würdigt. Ich finde schon, dass er es tut, mein Vater ist meiner Meinung nach nur beleidigt wenn man etwas nicht genau so tut wie er es will - er ist der Meinung, wir hätten die Einfahrt anders machen sollen, unsere Heizung ist in seinen Augen ein Fehler und bei der Dämmung findet er, hätten wir auf unseren jungen und naiven Architekten gehört anstatt auf seine Lebenserfahrung…
Unzählige Beispiele könnte ich aufzählen der letzten 5 Jahre, immer wieder gab es Zoff, immer wieder wurde sich aber auch groß versöhnt, mein Mann ist mit meinem Vater ins Fußballstadion, meine Eltern haben sich auch bemüht.

Aber nun muss man sagen, es geht nicht mehr, wir sind alle müde. Vor zwei Wochen ist an einer Kleinigkeit ein großer Streit entbrannt und nun sind wir alle leer.

Meine Eltern und ich haben uns mehrmals nach dem Streit gesagt, dass wir uns sehr lieben und dass wir immer füreinander da sind, aber es ist offensichtlich dass wir Abstand brauchen. Meine Mutter und ich haben auch über andere Themen viel diskutiert in den letzten Jahren, was sehr zermürbend war … Flüchtlinge, Corona, Impfung, Trump, Klimawandel… auch das hat sie eben im Streit angeführt, sie würde mich sehr lieben, aber ich würde ihr dauernd das Gefühl geben, sie wäre eine verrückte Verschwörungstheoretikerin - ich denke, sie hält mich für unglaublich naiv.

Kurz, es ist viel Liebe da, aber wir brauchen Raum, um zu heilen und eine neue, gesunde Beziehung aufzubauen.

Nur fällt es mir sehr schwer, diesen Abstand einzuhalten. Meine Eltern haben beide gerade auch gesundheitliche Beschwerden und einige Schwierigkeiten beruflich zu überwinden, deshalb würde ich mich unglaublich gern mehr um sie kümmern, aber schon vor dem Streit war es schwer. Ich habe angeboten, sie zum Arzt zu fahren, mit dem Hund Gassi zu gehen etc., wurde alles abgelehnt. Es heißt nur, sie würden das schon schaffen und klar kommen. Jetzt nach dem Streit ist es noch schwerer. Ich habe auch ein sehr schlechtes Gewissen, ausgerechnet jetzt auf Abstand zu gehen, aber ich weiß, dass es auf der anderen Seite nötig ist - und ein Stück auch von meinen Eltern gewollt. Meine Mutter hat wortwörtlich gesagt, dass sie mich sehr liebt und immer meine Mutter bleiben wird, aber dass sich wohl im Moment unsere Wege für eine Weile trennen.

Wie komme ich damit klar?
Ich denke dauernd an sie, es ist 6:52 morgen gerade, ich weiß, dass meine Eltern heute eine längere Reise in ihre Heimatstadt antreten müssen, weil sie dort etwas erledigen müssen und mache mir jetzt schon Sorgen und würde am liebsten schon anrufen. Mein Man sagt, ich muss ihnen unbedingt mal ein paar Tage Luft und Raum geben, ich weiß auch, dass er Recht hat, aber es fällt mir sehr schwer.

Habt ihr Tipps für mich?

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Hallo,

ich finde es bemerkenswert, dass deine Eltern den Abstand (auch) wollen. Ganz oft endet eine Geschichte wie deine damit, dass sich die Kinder fragen, wie sie die Eltern auf Abstand halten können, weil sie sich bedrängt fühlen.

Das ist eine tolle Chance! Deine Eltern kommen ohne dich zurecht und du ohne sie. Wenn dieses Prinzip verstanden wurde, dann kann man sich wieder liebevoll begegnen. Bis dahin findest du vielleicht eine Möglichkeit, wie du reagieren kannst, wenn sie sich zu sehr einmischen. Umgekehrt kannst du auch lernen, die Grenzen bei deinen Eltern besser zu erkennen.

Ihr könnt es nochmal neu miteinander versuchen. Nutz die Zeit und denke über die bisherigen Erfahrungen mit Ihnen nach. Wo fehlte es an Respekt (beiderseitig), wo hast du nicht rechtzeitig signalisiert, dass es zu viel wird? Wie könntest du besser auf Einmischung reagieren? Zum Beispiel die Sache mit der Einfahrt: Stell dir ein Gespräch vor, dass du lieber geführt hättest. Was könnte funktionieren?

Meine Eltern haben sich auch oft eingemischt und ich habe irgendwann begriffen, dass ich falsch reagiere. Ich habe mich eher gerechtfertigt (so ist die Einfahrt besser, die Nachbarn haben auch...), als für mich einzustehen. Jetzt sage ich einfach, dass es mir so gefällt. Punkt. Keine Begründung, die auseinander genommen werden kann.

Das ist es nämlich, was letztendlich fehlt: Der Respekt vor dem anderen. Ganz viele Menschen können nur ihre Weltsicht als richtig erkennen und wollen das Gegenüber permanent davon überzeugen. In meinem Freundeskreis habe ich solche Menschen nicht mehr, aber Familie ist halt Familie.

Vielleicht kannst du viel mit deinem Mann darüber sprechen, manche Muster werden einem so bewusster.

LG

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Wow, danke, das gibt mir wirklich viele gute Anregungen zum Denken!!

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In dem du akzeptierst dass erst mal jeder für sich verantwortlich ist und man Grenzen respektieren muss. Ich kann es echt nicht verstehen wie man 'großzügig Geld ' annehmen kann und sich dann wundert wenn Einmischung stattfindet. Ihr macht doch damit klar dass ihr nicht fähig seid allein für euch zurecht zu kommen. Und wer das in finanzieller Hinsicht schon nicht kann muss sjch nicht wundern wenn einem das auch auf anderen Gebieten anerkannt wird.

Deine Eltern machen das im Prinzip richtig wenn sie sich von euch nicht mehr helfen lassen wollen. Denn damit würde auch da die Selbstbestimmung schwinden.

Ich kann dir da eine Familienberatungsstelle empfehlen, Frauenseelsorge, pro Familie etc können dir da die richtigen Impulse geben dein Denken zu verändern und neue Sichtweisen eröffnen

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Na ja, das Geld war ein Hochzeitsgeschenk. Wir hatten nie danach gefragt, am Tag unserer Hochzeit während der Feier hat mein Vater es uns geschenkt, wir haben 3 Mal abgelehnt und er hat darauf bestanden - er wollte unserer neuen Familie helfen, sich schneller einzurichten und es wäre eine Beleidigung, es abzulehnen, er würde ja nur helfen wollenX Wir haben selbst gut verdient und wären ein paar Jahre später dazu in der Lage gewesen. Dass an sowas dann eine Erwartungshaltung geknüpft sein soll, finde ich schon schwierig.
Schwierig finde ich auch, dass jetzt unsere Hilfe abgelehnt wird wegen des Selbstbestimmungsrechts? Also habe ich zuerst ein großzügiges Geschenk bekommen, dass ich nicht unbedingt wollte, gelte dann als undankbar wenn ich es nicht so ausgebe wie vom Schenkenden erwartet (warum sollte ich die nächsten 20 Jahre mit einem Fußbodenbelag leben, den ich nicht wollte? Nur um meinem Vater einen Gefallen zu tun?) und jetzt, wo ich was zurückgeben kann, wird es abgelehnt und ich muss mich dann mit meinem schlechten Gewissen auseinandersetzen … ich wurde ja so großzügig unterstützt, aber sie brauchen mich nicht?

Es ist komplex.
Ich verstehe sie auch gut und liebe sie sehr und hoffe, dass es sich bald auflösen wird.

Und ja, einen Termin bei der Familienberatung habe ich schon, dauert nur leider noch 2 Wochen.

Danke trotzdem.

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Ich denke, du mußt dich damit einrichten, dass deine Eltern kein "Danke" z.B. in Form von Hilfe haben möchten. Dein Vater hat es euch gegeben, hat zwar anscheinend erwartet, dass er da ein Mitspracherecht hat. DIESER Drops ist aber inzwischen "gegessen", das Haus ist fertig.

Wenn er jetzt weiterhin noch beleidigt ist, weil es anders lief als ER dachte, dann ist das sein Problem! Lös dich von dem Gedanken, du mußt einen Gegenwert geben.
Ich würde den Eltern ganz neutral ohne Druck mitteilen, dass sie sich jederzeit bei dir/euch melden können, wenn sie Unterstützung brauchen.

Schlechtes Gewissen brauchst du nicht zu haben. Nur lernen damit umzugehen, dass dein Vater dich immer noch für undankbar hält und Beide deine Hilfe nicht möchten. Das ist derzeit nun mal so (ob berechtigt oder nicht); und lasst euch Zeit, bedrängt euch nicht so sehr. Mit Hilfeangeboten und Erwartungen. Das wird sich schon wieder ändern, und wenn nicht, dann nicht.

Familienberatung wegen sowas? Das erstaunt mich, denn ich käme nach dem was du schreibst, nicht auf die Idee, eine Familienberatung in Anspruch zu nehmen. Aber ok, jeder Mensch und jede Familie ist anders. Und ich hoffe, euch wird geholfen. Kannst ja hier mal darüber berichten,wenn du magst.

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Es ist schwer. Aber du musst es akzeptieren und es wird leichter :)

Deine Eltern wollen keine Hilfe, sie sind erwachsen. Sie geben Bescheid, wenn sie welche wollen. Wäre umgekehrt ja genauso :)

Kopf hoch, das wird. Lenk dich ab 😊

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Danke!

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Der Fehler liegt größtenteils auf auf deiner Seite. Du schreibst selbst, dass sie dich anscheinend für naiv halten. In ihren Augen bist du weiterhin nicht "erwachsen".
Stehe hinter deinem Leben und deinen Entscheidungen und veranstalten um deine Eltern keinen Eiertanz.

Wer über etwas aus seinem Leben berichtet, der lädt automatisch auch zu Lebensweisheiten und Tipps ein, obwohl man diese eigentlich gar nicht hören wollte.
Weniger erzählen, weniger fragen, mehr machen.

Als Beispiel wäre da die Babyzeit. Man erzählt der Oma, dass man die Nacht nicht gut geschlafen hat, weil das Baby ständig wach wurde und bekommt im Gegenzug präsentiert, dass man abstillen soll und das Baby lernen muss alleine einzuschlafen und man es ruhig mal schreien lassen muss.

Beim Hausbau ist das ähnlich. Ihr erzählt von eurer Bauweise und bekommt dann halb zu hören, wie man es besser macht. Ob das stimmt? Das ist egal. Sagt man was dagegen, greift man die ältere Person und deren Erfahrung direkt persönlich an.

Du willst sie unterstützen? Dann frage nicht, ob du helfen kannst.
"Ich gehe mal schnell mit dem Hund raus." "Ich fahre einkaufen, gib mir schnell deine Liste, dann musst du später nicht selbst los." Ich fahre heute eh in die Stadt. Dann setze ich dich beim Arzt ab."
Ältere Leute lehnen ansonsten gerne die Hilfe ab. Wenn man diese aber nun als Tatsache anstatt Hilfe darstellt, ist es ob kein Problem für sie.

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Ich finde, deine Mutter recht vernünftig, wenn sie sich Abstand wünscht. Denn offenbar fehlt ja auf beiden Seiten eine Abnabelung. Deinen Eltern fällt es schwer, dich als eigenständigen Menschen mit eigenen Meinungen zu akzeptieren. Vielleicht fällt ihnen das mit Abstand leichter.
Es gibt offenbar viele Themen, bei denen ihr sehr unterschiedlicher Meinung seid und wenn ihr gar keine Konflikt befreiten Themen habt, dann ist die gemeinsame Zeit sehr anstrengend. Versuch die elternfreie Zeit einfach zu genießen und lass los.

Ehrlich gesagt, vermute ich, dass du dich auch nicht richtig abgenabelt hast. Du redest von einer längeren Reise und dein Mann von ein paar Tagen...offenbar kannst du ihnen auch keine Luft zum Atmen lassen. Deine Eltern wollen die Beziehung neu ordnen, einen Bruch und einen Neuanfang, nichts ist schlimmer als jetzt zu klammern.
Es liest sich so, als würdest du deinen Eltern ziemlich auf der Pelle hängen. Sie wollen es zur Zeit selbst schaffen und nicht dauernd umsorgt werden. Offenbar ist ein Status erreicht, bei dem du auch ihre Grenzen überschreitest. An deiner Stelle würde ich mich einmal auf mich selbst besinnen und mich fragen, ob deine Beziehung zu den Eltern wirklich gesund ist und ob es nicht an Abnabelung fehlt. Vielleicht nimmst du dir jemand Drittes zur Seite, so dass dir bei Selbsterkenntnissen geholfen wird.

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Hallo meine Liebe,

Du hast schon tolle Antworten bekommen, von mir noch zwei Denkanstösse:

Man macht sich nur um Dinge Gedanken, die man weiss: Du musst aber gar nicht wissen, was sie wann unternehmen-dann fällt auch die Überlegung dazu weg. Das ist also vorübergehend, bis Du nicht mehr weisst, was in ihrem Kalender steht.
Sollten sie doch ungefragt Infos streuen hör weg, das macht es Dir angenehmer.

Und warum sorgt man sich überhaupt, wenn zwei Erwachsene eine Reise tun? Das ist etwas überbehütend und sollte sowieso besser aufhören. Das werden auch Dein Mann und spätere Kinder angenehmer finden.
Aus eigener Erfahrung ist so ein Mindset: „Was da nur alles passieren kann!“, ungemein negativ und oft ein Deckmantel zu kontrollieren wer was wann macht-einen Unfall würde man damit aber nicht verhindern.

Übe doch mal loszulassen und Dich für sie zu freuen über den Ausflug,

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Dein Mann weiß, dass seine Witze bei den Schwiegereltern nicht gut ankommen. Dann soll er halt in ihrer Gegenwart keine mehr reissen! So einfach ist dieses Problem zu lösen.

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Du willst keine Hilfe die mit Einmischung und Bevormundung kommt, weil du in der Lage bist selbst Bauentscheidungen zu treffen. Sie wollen keine Hilfe von dir weil sie in der Lage sind Fahrten und Arzttermine selber zu managen.
Mal fürs Protokoll. Du schreibst deine Eltern arbeiten noch. Wir reden hier nicht von 80jährigen.

Lasst euch doch beide den Raum erwachsen zu sein? Ist es so schwer dem anderen zu geben was man selbst fordert?