Stiefsohn hat große Ängste und Phobien

Hallo zusammen,
der 8jährige Sohn meines Lebensgefährten ist ein wahrer Sonnenschein. Leider hat er einige Verhaltensweisen die mir auffällig und besorgniserregend erscheinen.
Zur Mama habe ich ein ganz gutes Verhältnis und auch wenn wir keine besten Freundinnen sind haben wir, vor allem was die Kinder betrifft, einen guten Umgang miteinander.
Mit den beiden Jungs (8 und 13) verstehe ich mich auch richtig gut und sie sind täglich nach der Schule zum Mittagessen und Hausaufgaben machen hier bei uns und alle zwei Wochen übers Wochenende. Das vorab als kleine Hintergrundinformation.
Seine Ängste/Phobien und Eigenarten die mir auffällig erscheinen:

1. Essen
Er isst nur sehr wenige Lebensmittel und es ist für ihn ganz schrecklich wenn er aufgefordert wird etwas, von dem er denkt dass er es nicht mag, zu probieren. Im Grunde isst er nur warme Brötchen, Leberwurst, Nutella, Gurke, Zwiebel, Tomate, Nudeln, Kartoffeln, Reis, rote Paprika
Keine Saucen! Auch keine Majo oder Ketchup. Fast Food isst er, da aber auch nur ausgewähltes und alles ohne Saucen.

2. Trinken
Er trinkt NUR stilles Wasser und ganz selten einen Limonen Tee und dann auch nur von einer einzigen Marke

Gut, das ist etwas merkwürdig aber ok..

3. Hände waschen
Er wäscht sich zig mal die Hände! Vor dem Essen, nach dem Essen, nach dem Toilettengang (Alles super!) aber dann geht es los: Sobald er etwas anfasst, dass ihm merkwürdig erscheint (Krümel, Obst, Gemüse…eigentlich ist das nichts bestimmtes…es kann jederzeit alles mögliche sein) wäscht er sich die Hände. Dann wäscht und wäscht er die Hände sehr lange aber meistens dauert es ewig weil er ganz sicher sein will, dass KEINE Seife mehr an seinen Händen ist. Er fragt auch oft, ob Seife giftig sei und ob ich schon mal Seife am oder im Mund hatte, ob man davon stirbt und ob es gefährlich ist.
Das ist häufig auch bei Reinigungsmitteln, Dreck, alles eigentlich mit dem seine Nase, Augen oder Mund in Kontakt kommen dass er nicht beabsichtigt hat.

4. Tiere
Ganz schlimm sind jede Art von Insekten! Davor hat er panische Angst! Er hat oft das Gefühl, dass Fruchtfliegen oder Mücken in seine Ohren, Nase oder Mund fliegen.
Dann fängt er an zu weinen und wenn man versucht es runterzuspielen (um ihm nicht das Gefühl zu geben dass jetzt etwas passiert) wird er wütend oder noch trauriger. Nur selten kann man ihn davon überzeugen, dass das nicht wirklich passiert ist…auch dann geht er seinen Mund waschen…seine Hände.

Es gibt so viele Dinge die bei ihm…scheinbar zwanghaft sind und zu Vermeidung führen. Er will nicht fliegen (ok…kann ich nachvollziehen). Aber es gibt auch keine Möglichkeit darüber zu reden weil er sofort dicht macht und entweder weint oder wütend wird.
Vielleicht sollte ich noch erwähnen dass er ziemlich schlau ist.
Mein Lebensgefährte sagt dass er vielleicht deswegen so ist weil er dich viel mehr Gedanken um alles macht als andere Kinder.

Könnt ihr mir mal eure Gedanken dazu sagen!?
Ich mache mir echt Sorgen

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Ich würde dir auch dringend empfehlen, die Vorstellung bei einem Kinderpsychologen anzuregen.

Ich habe den Niedergang als Schwester einer Betroffenen live erlebt. Es fing mit den von dir geschilderten Verhaltensweisen an, sehr essensbezogen, dann sehr reinlichkeitsbezogen und ging weiter darüber, dass Bohrlöcher im Badezimmer zu gestopft wurden, weil da Kameras drin seien. Das auch so in dem Alter von acht Jahren. Irgendwann folgte dann mit zwölf die „Selbstmedikation“ mittels Alkohol und ab 13 mit Drogen.

Das kann heftig schief gehen - abgesehen vom Leidensdruck. Das Kind scheint sich sehr sehr missverstanden zu fühlen mit seiner furchtbaren Welt, in der er selbst lebt und die er als real wahrnimmt.

Da braucht es professioneller Hilfe, allein kommt ihr und kommt er da nicht raus.

Ich wünschte, jemand hätte meiner Schwester geholfen.

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Für mich ist das halt eine schwierige Situation. Eltern möchten halt auch nicht gerne hören, dass etwas nicht stimmt…
Ich weiß gar nicht, ob und wie die Mama das wahrnimmt. Ich traue mich nicht, das Thema bei ihr anzusprechen…weil sie sich sehr schnell angegriffen fühlt und sie beruflich sehr eingespannt ist und das für sie bedeutet, dass sie „sich bewegen“ muss. Mein Sohn ist schon 23 und ich kann das alles ja verstehen…diesen Spagat zwischen Job und Kindern…aber für mich stand und stehen die Kinder immer an erster Stelle. Ich selbst habe eine PTBS, ebenfalls Ängste und Panikstörungen und komme gut zurecht mit allem was ich über die Jahre gelernt habe. Bedeutet, dass ich seine Situation so gut sehen und nachvollziehen kann. Beide Eltern sind Krankenpfleger und müssten das ja auch wahrnehmen. Ich glaube mein Freund hat Sorge, dass sie uns die Kinder entzieht wenn wir „Kritik üben“…was ja gar nicht so ist…es geht ja nur um ihn und ihm zu helfen.
Ich weiß einfach nicht was ich tun soll 😔

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Ja, deshalb die Empfehlung zur Anregung. Du sitzt da echt etwas zwischen den Stühlen.

Aber da hast du ja eine super Ausgangsbasis! Hast du mit ihm schon mal offen über diesen Teil von dir geredet?

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Das selektive Essen und Trinken würde ich erst mal akzeptieren, die Auswahl ist groß genug. Einen Nährstoffmangel wird er wohl so schnell nicht bekommen. Aber diese Ängste/Phobien und Zwänge scheinen ja auch ihn stark zu belasten. Da wäre eine Verhaltenstherapie sinnvoll und hilfreich.

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Danke für deine Antwort! Dass mit dem Essen beruhigt mich etwas.

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Ich finde tatsächlich dass das Kind dringend einen Kinderpsychologen sehen muss. Meiner Erfahrung nach sind unbehandelte psychische Krankheiten (oder eben auch der Beginn davon) in so einem frühen Alter für das gesamte Leben sehr fatal.

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Ganz genau so sehe ich das auch! Danke!!!

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Ich möchte nochmal den Punkt bestärken, dass nicht alle dieser Verhaltensweisen komplett ungewöhnlich sind. Mein 13jähriger hat ein vergleichbares Essverhalten, ebenfalls vollständige Suppen / Saucen /KetchupMayo etc.-Vermeidung (Ausnahme: die Tomatensauce auf der Pizza); es gehen nur Kohlehydrate in den meisten Formen, je ca. 4 Obst- und Gemüsesorten, sehr ausgewählte Milchprodukte, Eier, sehr begrenzte Fisch u Fleisch, aber jetzt am liebsten noch vegetarisch... . Gaaanz langsam wird mal hier und da probiert, aber dann meist abgelehnt. Da das Thema uns also schon lange beschäftigt: durch viele Gespräche, lesen und ärztlichen Rat ist uns bewusst, dass das einfach vorkommt und das oberste Gebot hier Entspannung ist. Ärztin meinte mal: je 2 Obst- und Gemüsesorten dabei? Dann kein Handlungsbedarf. Mir fällt das Abwarten mit zunehmendem Alter immer schwerer, Sorgen mach ich mir schon, aber so ist es eben. Daher würd ich hier dringend raten: Essen / Trinken nicht zum Problemthema machen!
Lieber auf die anderen Bereiche konzentrieren. Hier gibt es Leidensdruck, und der ist das Entscheidende; hier kann mal mit Unterstützungsangebot arbeiten.

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Lieben Dank für deine Antwort!
Ja, ich sehe es auch nicht als zu dramatisch an…das hatte ich ja dann auch durch den kurzen Satz nach 1. und 2. verdeutlichen wollen. In Kombination mit den anderen Punkten allerdings ergibt sich halt für mich ein Bild, welches mir als „nicht normal“ erscheint. Ich habe mich daran gewöhnt für ihn einfach meist Rohkost und „seine“ Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Es ist halt die Summe der Dinge. Dennoch beruhigend diese Infos von dir zu lesen!!! Herzlichen Dank 😊

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Mhh, also wegen dem Essen alleine würde ich mir jetzt keine großen Gedanken machen.
Ich hab als Kind ne Weile nur trockene Nudeln und Pommes mit Senf gegessen 😅🙈
Paar Sorten Obst und Milchschnitte.
Mit Druck beim Essen konnte ich auch nur schwer umgehen und es ist auch nicht sinnvoll, da irgendwas erzwingen zu wollen...
Mein Sohn weigert sich auch bei verschiedenen Sachen zu probieren, aber so nach und nach traut er sich doch an das ein oder andere ran 😊
Die Ängste scheinen ihn aber selbst zu belasten.
Ich hatte als Kind auch oft Ängste (vor allem vorm sterben, vor Krankheiten, Vergiftungen usw.)
Ich denke bei mir waren es Informationen die ich irgendwo aufgeschnappt habe, mit denen ich aber noch nicht umgehen konnte (z.B. wenn meine Oma meiner Mutter erzählt hat wer alles gestorben ist und wer welche schlimme Krankheit hat)
Ich war auch ein sehr schlaues und sensibles Kind und solche Sachen haben mich sehr beschäftigt. Auch heute noch triggern mich solche Informationen.
Vielleicht geht es dem Sohn deines Partners ähnlich. Vielleicht hat er mal das ein oder andere gehört oder im Fernsehen gesehen was er nicht gut verarbeiten konnte und was ihn ängstigt. Aus dieser Angst heraus, man könnte ja vielleicht was "giftiges" angefasst haben, entsteht dann nicht selten ein übertriebener Wasch zwang.
Ihr solltet seine Ängste ernst nehmen. Ja, für euch sind sie unbegründet aber für ihn sind sie real. Ich denke auch dass eine Therapie eine gute Sache sein kann, wenn das reden, beruhigen und erklären nicht mehr ausreicht.

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Google mal nach Hochsensibilität !

Gerade bei sehr intelligenten Kindern kommt sie recht häufig vor.

Vieles kommt mir auch von meinem Kind bekannt vor. Er war ein sehr mäkeliger Esser - da gab es dann eben wochenlang das Gleiche auf das Brötchen. Majo und Co geht auch nicht. Sprudel ... bäh - aber Saft, Wasser mit Sirup bzw. nur Wasser geht.

Das Fenster darf in seinem Zimmer am besten nicht aufgemacht werden, weil da ja Tiere reinkommen können.

Er ist inzwischen 14 und wird, was Essen betrifft immer experimentierfreudiger. Aber generell ist er immer noch ein recht unsicherer Mensch, der sich zuviel einen Kopf macht.

Er spielt zum Beispiel Handball - hat jetzt nicht unbedingt wirklich Talent, aber er geht sehr gerne hin.

Mir ist beim Spiel in letzter Zeit besonders aufgefallen, dass er immer sehr zurückhaltend spielt, wie versteckt. Auf meine Frage, ob ich das richtig sehe meinte er, dass er Angst hat Fehler zu machen, beim aufs Tor werfen nicht zu treffen etc..

Er hat die ganze Saison kein Tor geworfen bis auf im letzten Spiel (nachdem ich gesagt habe, dass er das kann und es überhaupt nicht schlimm ist zu verwerfen) - plötzlich ging es und er hat 3 x getroffen. Ich hoffe, jetzt ist so eine Art Knoten geplatzt ;-).

Was ich sagen will, solche Kinder nehmen oftmals vieles sehr viel intensiver wahr. In unserem Fall war es auch so, dass er Reize schlecht filtern konnte und es ihm irgendwann, bei zuviel Action um ihn herum, zuviel wurde. Und die Intelligenz sorgt dann noch zusätzlich dafür, dass man sich um Vieles einfach zu viele Gedanken macht.

Ich würde mich mal um eine Diagnostik bemühen, gerade weil sich Zwänge doch schon sehr manifestieren und das Leben einschränken können.